Geschichte

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Von 1821 bis 1867 wurden um die 10 000 befreite Sklaven aus den USA in Liberia angesiedelt. 1847 wurde die Republic of Liberia gegründet. Der Name “Liberia“, leitet sich vom lateinischen Wort

„liber“ ab, welches „frei“ bedeutet. Bekannt wurde Liberia in den 1990er Jahren durch die langen und brutalen Bürgerkriege zwischen 1989 und 2003.

Tag der Unabhängigkeit

26. Juli 1847

Staatsoberhaupt

George Manneh Weah

Politisches System

Präsidialrepublik

Demokratie Status- Index (BTI) Rang 46 (von 137), 2020

Korruptionswahrnehmungsindex Rang 137 (von 180), 2019

Ibrahim Index of African Governance Rang 27 (von 54), 2020

Besonderheiten der Landesgeschichte

Liberia ist die älteste Republik des Kontinents. Gleichzeitig ist es, neben Äthiopien, das einzige Land Afrikas, das nie unter europäischer Kolonialherrschaft stand. Die philanthropische American Colonization Society widmete sich der Rückführung befreiter Sklaven. 1821 gründete sie die Stadt Monrovia auf einem Territorium, das vorher zu der Kolonie Sierra Leone gehörte und den britischen Kolonialherren abgekauft worden war. Später wurden noch viele weitere Siedlungen von ehemaligen Sklaven aus den USA gegründet.

Liberia entstand durch den Zusammenschluss dieser Ansiedlungen im Jahr 1847. Joseph J. Roberts, der bisherige Gouverneur, wurde erster Präsident des Landes, das im selben Jahr seine Unabhängigkeit erklärte. Die politische Macht des Landes lag in den Händen der schwarzen Einwanderer aus den USA, die die ursprüngliche Bevölkerung in einer Art Apartheidsystem unterdrückten.

Bekannt wurde Liberia in den 1990er Jahren durch die langen und brutalen Bürgerkriege, die mit kurzen Unterbrechungen von 1989 bis 2003 andauerten und in denen ca. 270.000 Menschen umgekommen sind.

12. bis 19. Jahrhundert

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass das Gebiet des heutigen Liberia zwischen dem 10.  und dem 16. Jahrhundert von Norden und Osten her besiedelt wurde. Mel-sprechende Gruppen wie die Kissi und Gola, und Kwa-sprechende Gruppen wie die Dei, Bassa, Kran, Kru und Glebo kamen um 1000 n. Chr. nach Liberia. Die Mande-sprachigen Gruppen, einschließlich der Mende, Bandi, Loma und Vai, kamen später. Die ursprüngliche Heimat der Mande war das Gebiet nördlich des Niger, über die Ursprünge der Mel und Kwa gibt es Meinungsverschiedenheiten. Die Vai, über 2000 Jahre von anderen Mande-sprechenden Gruppen isoliert, erreichten die Küstenregion im sechzehnten Jahrhundert. (Beyan, A. J. (1995), Transatlantic Trade and the Coastal Area of Pre-Liberia. Historian, Volume 57, Issue 4, pages 757–768, June 1995)

Portugiesische Seefahrer «entdeckten» Liberia bereits 1461 und gaben der Region den Namen «Pfefferküste». Im 17. Jahrhundert errichteten holländische und englische Kaufleute Handelsstützpunkte an der liberianischen Küste, die jedoch bereits kurze Zeit später wieder aufgegeben wurden.

Die Entstehung der Republik

Im Jahr 1820 hat die American Colonization Society (ACS) schwarze Freiwillige an die Pfefferküste geschickt, um eine Kolonie für befreite amerikanische Sklaven zu etablieren. Die ACS sah im Erwerb einer afrikanischen Kolonie eine Lösung für das innenpolitische Problem der «freien Schwarzen» in den Vereinigten Staaten (die britische Krone erwarb übrigens aus einer ähnlichen Motivation heraus die «Provinz der Freiheit», die spätere Kolonie Sierra Leone). So sollten mit der Rückführung der schwarzen Amerikaner in ihre «afrikanische Heimat» soziale und ethnische Spannungen in den USA reduziert und die Institution der Sklaverei in den Südstaaten verteidigt werden. Aus diesen Gründen wurde die ACS sowohl von philantropischen Kreisen als auch von Sklavenhaltern unterstützt 

Das Gebiet war zu dieser Zeit von mindestens 16 verschiedenen ethnischen Gruppen besiedelt, von denen viele schon vor ca. 400 Jahren in dieses Gebiet eingewandert waren. Lokale Führer der Küstenregionen, die am transatlantischen Sklavenhandel beteiligt waren, wollten den Amerikanern erst einmal kein Land für  Siedlungen verkaufen. Sie befürchteten, diese würden dem Sklavenhandel im Wege stehen. Letztendlich setzten sich die Amerikaner durch. Sie brachten zwischen 1822 und 1867 ungefähr 12 000 befreite Sklaven aus den USA nach Liberia und gründeten   eine Reihe von Siedlungen, die zunächst unter amerikanischer Gouverneursverwaltung standen. Dazu kamen ca. 6000 Afrikaner aus illegalen Sklavenschiffen, die von der U.S. Navy befreit und an die Küste gebracht wurden.

Am 26. Juli 1847 erklärte sich das Land für unabhängig und wurde zuerst von den europäischen Mächten und 1862 auch von den USA als erster unabhängiger Staat Schwarzafrikas anerkannt. Die Siedler errichteten eine Republik nach dem politischen Vorbild der Vereinigten Staaten, wobei das Wahlrecht den Siedlern vorbehalten blieb. Joseph J. Roberts, der bisherige Gouverneur der ACS, wurde zum ersten Präsidenten der Republik gewählt. Eine Verfassung nach dem Vorbild der USA wurde eingesetzt, in der den indigenen Bewohnern das Wahlrecht verwehrt wurde.

Americo-Liberianische Herrschaft (1847–1980)

Die ersten Jahrzehnte der jungen Republik waren gekennzeichnet durch bewaffnete Konflikte mit einheimischen Völkern, sowie durch die Einverleibung der vormals unabhängigen Republik Maryland im Jahr 1857.

Bei der «Kongo-Konferenz» 1885 in Berlin, auf der die Kolonialmächte Afrika unter sich aufteilten, konnte Liberia zwar seine Souveränität behalten, verlor aber etwa einen Drittel seines Staatsgebietes, vor allem im Südosten, an Frankreich. Die heutigen Grenzen des Landes gehen auf die Beschlüsse dieser Konferenz zurück.

Wirtschaftlich konzentrierte sich die liberianische Elite auf den Fernhandel und auf den Aufbau einer Plantagenwirtschaft. Der liberianische Staat blieb jedoch ökonomisch schwach und war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts von ausländischen Kreditgebern  abhängig. Diese Abhängigkeit stieg Ende des 19. Jahrhunderts als die Segelschiffe der liberianischen Handelsflotte gegenüber den Dampfern ausländischer Firmen an Konkurrenzfähigkeit verloren. Zu dieser Zeit exportierte Liberia auch in großem Stil gewaltsam rekrutierte Arbeitskräfte als sogenannte «contract workers» in die spanische Kolonie Fernando Po (das heutige Äquatorial-Guinea). Die Arbeits-, Rekrutierungs- und Vertragsbedingungen dieser Arbeiter waren zwischen 1923 und 1930 Gegenstand einer Untersuchung des Völkerbundes. Ironie der Geschichte: Liberia, Heimstatt befreiter Sklaven, war selbst zum Exporteur von Zwangsarbeitern geworden.

Innenpolitisch entwickelte sich ein System der «schwarzen Apartheid», wobei politische Macht und wirtschaftlicher Einfluss in den Händen der Minderheit der Americo-Liberianer konzentriert waren. Zentrale Institutionen dieser Vorherrschaft waren die 1878 gegründete True Whig Party und die Freimaurerlogen. In dieser Zeit entstand der Dualismus zwischen moderner Staatlichkeit an der Küste und indirekter Herrschaft (ausgeübt durch die traditionellen Führer) im Hinterland, deren Folgen noch heute spürbar sind.

Zwischen dem Zweiten Weltkrieg und den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts gehörte Liberia zu den wichtigsten Verbündeten der USA auf dem afrikanischen Kontinent und erhielt hohe Summen an Militär- und Entwicklungshilfe. Die Regierungszeit des 19. Präsidenten William Tubman (1944-1971) gilt in Liberia als das goldene Zeitalter der jüngeren Geschichte. In seine Amtszeit fällt ein jährliches Wirtschaftswachstum von 11,5 Prozent (zwischen 1950 und 1960), sowie weitreichende innenpolitische Reformen. Zum Zeitpunkt seines Todes 1971 stand das Land im Zenit seiner wirtschaftlichen Entwicklung als weltweit führender Exporteur von Kautschuk, drittgrößtem Exporteur von Eisenerz und mit einem boomenden Freihafen in Monrovia. Gleichzeitig steht seine Regierungszeit – vor allem nach einem Attentatsversuch 1955 – auch für die brutale Unterdrückung politischer Gegner.

Immer mehr indigene Liberianer kamen auf der Suche nach Arbeit aus den Provinzen in die Küstenregionen. Die liberianische Regierung hat lange versucht dieses zu verhindern, konnte die Migration ab den 40er Jahren aber nicht mehr bremsen. In den folgenden Jahrzehnten erhielt die liberianische Regierung Hunderte von Millionen Dollar an freien ausländischen Investitionen, die die liberianische Wirtschaft destabilisierten. Das Staatseinkommen stieg beträchtlich, wurde  aber durch Regierungsbeamte grob veruntreut. Wachsende wirtschaftliche Ungleichheit steigerte die Feindseligkeit zwischen indigenen Gruppen und Americo-Liberianern.

Nach dem Tod William Tubmans folgte ihm sein langjähriger Vizepräsident William Tolbert im Amt nach. Trotz vorsichtiger Reformen zu Beginn seiner Regierung (er ließ eine Oppositionspartei zu), war seine Amtszeit (1971-1980) durch Wirtschaftskrise und wachsende innenpolitische Instabilität gekennzeichnet. Sinkende Preise – vor allem für Kautschuk – auf dem Weltmarkt führten zu wachsenden Problemen, während die Opposition gegen die Vorherrschaft der Americo-Liberianer protestierte. Die Unzufriedenheit über staatliche Pläne, den Preis für Reis im Jahr 1979 zu erhöhen, führte zu Demonstrationen in den Straßen von Monrovia, den «Rice Riots». Tolbert befahl seinen Truppen, auf die Demonstranten zu schießen, siebzig Menschen wurden getötet. In ganz Liberia kam es zu Ausschreitungen, die letztlich zu einem militärischen Staatsstreich im April 1980 führten.

Frühe Verknüpfungen zwischen Politik und Rohstoffhandel

Schon sehr früh gab es Verknüpfungen zwischen der Politik Liberias und der Rohstoffproduktion und dem -abbau. 1887 begannen britische Pflanzer, mit Erlaubnis der Regierung, versuchsweise Kautschuk-Plantagen anzulegen. 1889 beantragten drei britische Unternehmer eine eigene Konzession für eine Kautschuk-Handelsgesellschaft, die im Rahmen der Open-Door-Politik Liberias beide bewilligt wurden. Dies führte zur Gründung erster küstennaher Kautschuk-Betriebe. Als bedeutendster Produzent wurde die 1904 gegründete English-Liberian Rubber Company angesehen, sie schuf ein landesweit aufgebautes Syndikat von Kautschuk-Sammelstationen. Das mit staatlicher Beteiligung geführte Unternehmen führte einen vertraglich fixierten Anteil an den liberianischen Staatshaushalt ab und wurde so zum Vorbild für künftige Wirtschaftsunternehmungen Liberias.

Im Jahr 1904 beantragte die West African Gold Concessions, Ltd. eine Konzession für das liberianische Staatsgebiet, um die Flüsse des Landes systematisch auf den Goldgehalt zu untersuchen. Nach den ersten Erkenntnissen über liberianische Goldvorkommen vereinbarten die britischen Unternehmer mit der liberianischen Regierung günstige Abbaurechte im Tausch mit von den Briten zu leistenden Aufbauarbeiten im Land.

Der liberianische Staat musste auf Grund hoher Verschuldung Anfang des 20. Jahrhunderts mehrfach Kredite zu schlechten Konditionen von britischen Banken und Konsortien, sowie von deutschen Händlern aufnehmen, und drohte so seine Souveränität einzubüßen. 1912 griffen die USA mit einem langfristigen Kredit in diese Situation ein, der zur Bedingung hatte, dass die vier großen Westmächte (USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) bis 1926 die liberianischen Staatsfinanzen kontrollieren würden.

Der wirtschaftliche Aufstieg Liberias begann mit der Erteilung einer Konzession durch die liberianische Regierung für die weltgrößte Kautschukplantage an das amerikanische Unternehmen Firestone im Jahr 1926. Eng verbunden mit dieser Konzession war ein Kredit des Unternehmens an den liberianischen Staat über 5 Millionen US-Dollar zur Abwendung des drohenden Staatsbankrotts. In den Folgejahren entstanden zahlreiche weitere Kautschukplantagen und noch 1950 stellten Naturgummiprodukte mehr als neunzig Prozent der Gesamtexporte des Landes. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wuchs die wirtschaftliche und strategische Bedeutung Liberias für die Alliierten. Steigende Rohstoffpreise sorgten für ein rasches Wirtschaftswachstum, dass sich auch in den fünfziger und sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts fortsetzte. In dieser Zeit erfolgten auch große Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur (Bau der Ringstraße, Ausbau von Flughafen und Hafen).

In den sechziger und siebziger Jahren investierten ausländische Unternehmen aus Westeuropa und den Vereinigten Staaten hohe Summen vor allem im Bergbausektor sowie in weiter dazugehörige Verkehrsinfrastruktur (Eisenbahnen und Häfen). Eisenerzminen entstanden in den Bomi Hills, in der Bong Range und im Nimba-Gebirge. Zu diesen Investitionen gehörte auch die Bong Mining Company, die im Besitz der Firmen Thyssen, Krupp und Hoesch war. Sie stellte in den siebziger Jahren die größte deutsche Investition der deutschen Wirtschaft in Subsahara-Afrika dar und ist ein Symbol für die Bedeutung der Handelsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Liberia. Die Bergbaufirmen unterhielten Firmensiedlungen mit Schulen, Freizeitanlagen und Krankenhäusern.

Militärputsch und erster Bürgerkrieg

Am 12. April 1980 putschte das Militär unter der Führung von Hauptfeldwebel Samuel Doe gegen die Regierung. Präsident Tolbert wurde zusammen mit anderen Angehörigen seines Kabinetts ermordet. Mit Doe stand erstmals in der Geschichte Liberias ein Angehöriger der indigenen Bevölkerung an der Spitze des Staates (Doe stammt aus der Ethnie der Krahn). Nachdem der Putsch in der Bevölkerung zuerst begrüßt wurde, zeigte die Regentschaft Does (1980-1990) zunehmend autoritäre Züge. So   ließ er etwa seine Mitverschwörer aus der Zeit des Putsches als potenzielle Rivalen ermorden und favorisierte Angehörige seiner eigenen ethnischen Gruppe bei der Besetzung von wichtigen Ämtern. 

Auf Druck der Vereinigten Staaten organisierte er am 15. Oktober 1985 Wahlen, bei denen die Oppositionsparteien nicht zugelassen waren. Trotzdem hielten die USA aus strategischen Gründen Doe die Treue und erhöhten sogar die Militär- und Entwicklungshilfe. Im Dezember 1989 begann der liberianische Bürgerkrieg mit dem Einmarsch der Rebellenbewegung National Patriotic Front of Liberia (NPFL) unter der Führung des ehemaligen Mitglieds der Doe- Regierung Charles Taylor aus der Elfenbeinküste auf liberianisches Territorium. Taylor erhielt vor allem von jenen ethnischen Gruppen Unterstützung, die von der Regierung Does marginalisiert worden waren, etwa den Gio und Mano.

Mitte 1990 kontrollierte Taylor den größten Teil Liberias. Seine Truppen standen kurz vor Monrovia. Im Juli spaltete sich Prince Yormie Johnson von der NPFL ab und gründete die Unabhängige Nationale Patriotic Front of Liberia (INPFL). Beide NPFL und INPFL kämpften sich weiter nach Monrovia vor. Im August 1990 entsandte die Economic Community of West African States (ECOWAS) eine militärische Eingreiftruppe namens Economic Community of West African States Monitoring Group (ECOMOG) mit

4.000 Soldaten, um die Ordnung wiederherzustellen. Am 9. September empfing Präsident Doe die Truppen der ECOMOG im Freihafen von Monrovia, wurde dort von Prince Johnson und seiner INPFL gefangengenommen, gefoltert und getötet. 

Im November 1990 einigten sich die ECOWAS mit einigen wesentlichen liberianischen Gruppen, aber ohne Charles Taylor, auf eine Übergangsregierung (IGNU) unter Präsident Dr. Amos Sawyer. Sawyer regierte den größten Teil Monrovias, während der Rest des Landes von verschiedenen Kriegsparteien beherrscht wurde. Im Juni 1991 gründeten ehemalige Anhänger und Soldaten Does, hauptsächlich Krahn und Mandigo, die United Liberian Movement for Democracy in Liberia (ULIMO) und begannen im September mit Unterstützung der ECOMOG den Kampf gegen die NPFL im westlichen Liberia.

In den Folgejahren wurde auch Sierra Leone in den liberianischen Bürgerkrieg hereingezogen. Taylor unterstützte die Rebellen der Revolutionary United Front (RUF), die gegen die Regierung in Freetown kämpften, und ließ sich dafür von den Rebellen mit sierra-leonischen Diamanten entlohnen.  Nachdem mehrere Friedensabkommen nicht eingehalten worden waren, endete der erste liberianische Bürgerkrieg 1996 mit dem Friedensabkommen von Abuja. Mehr als 200.000 Liberianer sind in diesem Krieg umgekommen, etwa eine Millionen Menschen waren in die benachbarten Länder geflüchtet.

Präsidentschaft Taylors und zweiter Bürgerkrieg

Einem hastigen Entwaffnungs- und Demobilisierungsprogramm der verschiedenen Kriegsparteien folgten am 19. Juli 1997 Präsidentschaftswahlen. Charles Taylor wurde als Kandidat seiner National Patriotic Party, NPP unter der Aufsicht der Vereinten Nationen zum 22. Präsidenten der Republik Liberia gewählt. Sein Wahlsieg (mit ca. 75 Prozent der abgegebenen Stimmen) war wohl vor allem das Ergebnis der Angst der Liberianer, dass jedes andere Resultat zu einem Wiederaufflammen der Gewalt führen würde.

Die zweite Phase des liberianischen Bürgerkriegs begann 1999 mit dem Einmarsch der Rebellenbewegung Liberians United for Reconciliation and Democracy (LURD) (Nachfolgeorganisation von ULIMO) aus dem benachbarten Guinea. Sie operierte vor allem in Lofa County im Norden des Landes und erhielt Unterstützung von den Regierungen in Conakry (Guinea) und Freetown (Sierra Leone). Taylor unterstützte gleichzeitig die Oppositionsfraktionen in beiden Ländern.

Die Unterstützung der RUF in Sierra Leone führte im März 2001 zur Resolution 1343 im UNO- Sicherheitsrat, die alle Waffenlieferungen an, und Diamantenlieferungen aus Liberia untersagte, und einer Reihe liberianischer Regierungsmitglieder verbot, in UN-Staaten zu reisen. Nach der Verhängung eines Handelsembargos für Diamanten finanzierte Taylor seinen Staat vor allem durch den Export von Edelhölzern.

Ab Anfang 2003 begann eine zweite Rebellenbewegung, das Movement for Democracy in Liberia (MODEL) im Süden einen Feldzug gegen das Taylor-Regime. MODEL erhielt Unterstützung von der Regierung der Elfenbeinküste. Taylors Soldaten waren diesem Zweifrontenkrieg nicht gewachsen, zur Jahresmitte 2003 belagerten die LURD-Rebellen die Hauptstadt Monrovia. Tausende von Zivilisten waren zwischen den Fronten gefangen und litten unter Hungersnot, Artilleriebeschuss und Vergewaltigungen durch Angehörige aller Konfliktparteien.

Am 11. August 2003 trat Präsident Taylor als Folge der Friedensverhandlungen in Accra zurück und ging ins nigerianische Exil. Kurz darauf trafen die ersten Einheiten der westafrikanischen Friedenstruppe ECOMOG in Monrovia ein. Am 1. Oktober 2003 wurde diese Friedenstruppe durch die Mission der Vereinten Nationen in Liberia (UNMIL) abgelöst. Mit einer Sollstärke von 17.000 Männern und Frauen gehörte UNMIL zu den größten Missionen der Vereinten Nationen. Ihr Mandat umfasste die Überwachung des Friedensabkommens, die Demobilisierung der bewaffneten Parteien und die Organisation freier und fairer Wahlen.

Der Dokumentarfilm «Pray the Devil Back to Hell» beschreibt, wie es zu dem Erfolg bei den Friedensverhandlungen in Accra gekommen ist. Er erzählt auch die Geschichte der Friedensaktivistin und Nobelpreisträgerin Leymah Gbowee.

Neuanfang

Im August 2003 einigten sich die Konfliktparteien auf die Bildung einer Übergangsregierung unter Führung des Zivilisten Gyude Bryant. Unter der Aufsicht der Vereinten Nationen begann der schwierige Prozess des nationalen Wiederaufbaus. Bereits nach wenigen Monaten wurde deutlich, dass viele Minister in der neuen Regierung vor allem das eigene wirtschaftliche Wohlergehen im Sinn hatten. Zwar gelang es den Vereinten Nationen zwischen 2004 und 2005 insgesamt mehr als 100.000 ehemalige Kämpfer der verschiedenen Konfliktparteien zu demobilisieren und die Kontrolle über die meisten Landesteile zu erringen. 

Gleichzeitig nahm aber das Maß der Korruption eine Dimension an, die von vielen Beobachtern durchaus mit der Taylor-Zeit verglichen wurde. Während die geringen Gehälter (durchschnittlich 30-40 US$ monatlich) im öffentlichen Sektor nur unregelmäßig ausgezahlt wurden, bereicherten sich Minister und führende Beamte vor allem durch Korruption am Freihafen von Monrovia und bei der Vergabe von Konzessionen für Plantagen und Bergbauunternehmen. Diese Probleme waren auch Grund dafür, dass der Sicherheitsrat der  Vereinten Nationen die Sanktionen gegen das Land (vor allem ein Exportverbot für Diamanten und Edelholz) während der Amtszeit der Übergangsregierung beibehielt. Die internationale Gebergemeinschaft reagierte auf diese Herausforderungen im September 2005 mit dem Governance and Economic Management Assistance Program (GEMAP). Im Rahmen dieses Programms wurden Schlüsselsektoren der öffentlichen Verwaltung (Zoll- und Steuerbehörden, Hafen- und Flughafenbehörde, sowie das Bergbauministerium) unter internationale Verwaltung gestellt. 

Im November 2005 fanden unter der Aufsicht der Vereinten Nationen Wahlen für Parlament und das  Amt des Präsidenten statt, aus denen Ellen Johnson-Sirleaf als Siegerin hervorging. Mit ihrem Amtsantritt am 16. Januar 2006 endete die Amtszeit der Übergangsregierung. Umfangreiche Informationen über die Entwicklungen in Liberia in der Zeit seit dem Krieg bieten die Berichte der International Crisis Group (ICG). Nach wie vor kämpft Liberia, wie viele Post-Konflikt-Länder, mit bestehenden und drohenden Konflikten, die den Frieden und die Stabilität unterminieren können, wenn ihnen nicht genügend Beachtung zuteil wird. Dazu gehören Landkonflikte und die verbreitete Korruption.

Die Urheberin dieser Texte ist Juliane Westphal.

Juliane Westphal, Mediatorin M.A., Open Space Begleiterin, Beraterin für der Zivilen Friedensdienst (ZFD) von Brot für die Welt in West- und Zentralafrika.

Von 2005 bis 2007 war sie zuständig für die öffentliche Aufklärung über die Arbeit und die Ergebnisse der beiden Wahrheits- und Versöhnungskommissionen (TRC) in Sierra Leone und Liberia.

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