Wirtschaft
Obwohl sich die Wirtschaft und Infrastruktur des Landes noch nicht von den Folgen des Bürgerkrieges erholt hat, ist das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, durch den Eisenerzexport 2013 sogar auf 7,5 %. Dieser positive Trend hat 2014-2016 auf Grund der Ebola-Krise und der gesunkenen Rohstoffpreise allerdings nicht angehalten.
Geschätztes BIP 3,2 Milliarden USD (2018, IWF)
Pro Kopf Einkommen (Kaufkraftparität) 1.326 USD pro Jahr (2018, IWF, geschätzt)
Rang der menschlichen Entwicklung (HDI) Rang 176 (von 189), 2019
Anteil Armut (unter 1,90 $ pro Tag) 68,6 %
Einkommensverteilung (Gini-Koeffizient) 35,3 (2016, Weltbank)
Wirtschaftlicher Transformationsindex (BTI) Rang 103 von 136 (2020)
Wirtschaft
Nach dem Wirtschaftsboom der sechziger Jahre mit jährlichen Wachstumsraten zwischen vier und sieben Prozent begann bereits in den siebziger Jahren eine Phase der wirtschaftlichen Stagnation, eine Folge sinkender Weltmarktpreise für liberianische Produkte. Steigende Preise und eine wachsende Arbeitslosigkeit trugen zur Zuspitzung der Krise bei und sorgten für soziale und politische Spannungen, welche letztlich zum Militärputsch 1980 führten.
Durch die beiden Bürgerkriege zwischen 1989 und 2003 ist die liberianische Wirtschaft in hohem Maße negativ beeinflusst worden. Zwischen 1987 und 1995 fiel das Bruttosozialprodukt des Landes um 90 Prozent. Zum Zeitpunkt der Wahlen 2005 betrug das durchschnittliche Einkommen in Liberia nur ein Viertel des Vergleichswertes von 1987 und sogar nur ein Sechstel des Einkommens von 1979. Der wirtschaftliche Zusammenbruch betraf nahezu alle Sektoren der liberianischen Volkswirtschaft. Mit der Flucht von weiten Teilen der Bevölkerung aus dem Hinterland brach die Agrarproduktion dramatisch ein, die Eisenerzminen schlossen und die Produktion von Kautschuk wurde deutlich reduziert. Die Reisproduktion brach zwischen 1987 und 2005 um 76 Prozent ein, während die Rückgänge im Finanz- und Dienstleistungsbereich im selben Zeitraum zwischen 69 und 93 Prozent lagen. Die Transportinfrastruktur des Landes wurde weitgehend zerstört.
Eine direkte Folge des Bürgerkriegs und der damit verbundenen Wirtschaftskrise ist auch der Zusammenbruch der Staatsfinanzen. Seit der Mitte der neunziger Jahre war die liberianische Regierung nicht mehr in der Lage internationale Kredite zu bedienen. 2006 hatte das Land 4,5 Milliarden US$ Auslandsschulden, was 800 Prozent des Bruttosozialprodukts entsprach, laut IWF das schlechteste Verhältnis weltweit. In 2010 wurden Liberia – nach Erfüllung der dafür auferlegten Bedingungen – im Rahmen der Initiative zur Reduzierung der Schuldenlast der hoch verschuldeten armen Länder (HIPC) ca. 90 Prozent seiner Schulden erlassen. In den letzten Jahren ist die Verschuldung allerdings wieder deutlich angestiegen.
Einige Jahre ist das Wirtschaftswachstum kontinuierlich gestiegen, mit einer Rate von 4,6 % in 2009 zu 7,5 % in 2013. Damit verzeichnete Liberia nach dem Nachbarland Sierra Leone das zweitgrößte Wirtschaftswachstum auf dem afrikanischen Kontinent. Grundlage für diese positive Entwicklung war vor allem die Steigerung von Exporten und die Erhöhung von Rohstoffpreisen (insbesondere Kautschuk, Palmöl und Eisenerz). Durch die gesunkenen Rohstoffpreise und den Ausbruch der Ebolaepidemie hat sich dieser Trend seit Mitte 2014 nicht fortgesetzt.
2010 begann die Regierung Lizenzgebühren (USD 1,57 Mio.) aus dem Rohstoffsektor einzunehmen. Vor der Ebola-Krise wurde geschätzt, dass diese Einkommensquelle im Jahr 2015 auf 30 Mio. USD wachsen wird, unter anderem durch die Wiederaufnahme des Eisenerzabbaus und die erwartete Förderung von Offshore-Öl. Inzwischen ist diese Einschätzung unrealistisch geworden. 2011 wurde ein Bericht von einer Reihe nationaler und internationaler Organisationen veröffentlicht, in dem Maßnahmen beschrieben werden, die sicherstellen sollen, dass die liberianische Bevölkerung und Infrastruktur von der Ölförderung profitieren wird.
Die Investitionsbedingungen für private Unternehmen sind schwierig. Der Bergbau, wichtigster Sektor für ausländische Unternehmen, leidet unter den momentan niedrigen Rohstoffpreisen. Der Abzug der UNMIL -Truppen führte zu einer deutlichen Reduzierung der Konsumgüternachfrage.
Ein weiterer Hinderungsgrund für Investitionen in die liberianische Industrie oder Dienstleistungen ist die Korruption im Land. Im Sommer 2013, zehn Jahre nach Ende des Bürgerkrieges, nahm Liberia in dem globalen Korruptionsbarometer von Transparency International immer noch einen der schlechtesten Plätze ein. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International nahm Liberia 2019 Platz 137 von 180 ein.
Nach mehr als hundertjähriger Praxis mit zwei Währungen im Alltag, dem liberianischen Dollar und dem US-Dollar, wird diskutiert, ob die Beschränkung auf den liberianischen Dollar die Wirtschaft stärken würde.
Außenhandel
Trotz der enormen Rohstoffvorkommen ist die Handelsbilanz Liberias defizitär. Für den liberianischen Außenhandel sind Eisenerz, Naturkautschuk und Gummi, Tropenholz, Diamanten, Gold, Kakao, Kaffee und Ananas die wichtigsten Exportgüter. Das liberianische Schifffahrtsregister zählt zu den größten der Welt und sorgt für einen Großteil der Deviseneinkünfte des westafrikanischen Landes. Gleichzeitig müssen Lebensmittel – vor allem Reis – und Treibstoffe teuer importiert werden.
Zu den wichtigen Handelspartnern von Liberia gehörten im Jahr 2018 die USA, die Europäische Union, China und afrikanische Länder. Importiert wurde viel aus Asien, insbesondere aus China, Europa und Nordamerika.
Landwirtschaft
Subsistenzwirtschaft
Ein wesentlicher Teil der liberianischen Bevölkerung ist landwirtschaftlich tätig, dies gilt vor allem für Frauen, welche die Mehrzahl der Arbeitskräfte in diesem Sektor stellen. Ein großer Anteil der landwirtschaftlichen Produktion dient der Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Trotzdem leidet ein hoher Anteil der liberianischen Bevölkerung unter mangelhafter Ernährung, der Anteil der chronisch unterernährten Kleinkinder (unter fünf Jahren) wurde laut eines Berichts von UNICEF 2015 auf 39 Prozent geschätzt. Verantwortlich für diese Situation ist die chronische Unterinvestition in diesem Sektor und eine mangelhafte Transportinfrastruktur (welche den Marktzugang ländlicher Produzenten behindert). Die Ebolakrise hat diese Situation 2014-15 verschärft, wodurch eine zusätzliche Versorgung durch das Welternährungsprogramm nötig wurde.
Die Subsistenzlandwirtschaft oder traditionelle Landwirtschaft wird vor allem durch den Anbau von Reis und Maniok gekennzeichnet, in begrenzten Rahmen auch durch Kleintierhaltung. Neben der traditionellen Landwirtschaft spielt auch der Fischfang eine bedeutende Rolle für die Versorgung der Bevölkerung. Allerdings wird die wirtschaftliche Existenz der einheimischen Fischer durch die Überfischung der liberianischen Gewässer durch ausländische Trawler bedroht.
Kommerzielle Landwirtschaft
Die kommerzielle Landwirtschaft wird durch die Kautschukproduktion dominiert. Im Gegensatz zu den meisten anderen Wirtschaftszweigen wurde der Export von Naturgummi auch während des Krieges fortgesetzt. Die Kautschukexporte des Landes werden auf einen Wert von über 100 Millionen US$ geschätzt. Auf Grund der gesunkenen Preise für Kautschuk, sind die Profite in diesem Bereich in den letzten Jahren zurückgegangen. Der größte Produzent von Kautschuk in Liberia ist die Firestone Natural Rubber Company mit bis zu 7.000 Mitarbeiter/innen. Auf Grund des gesunkenen Kautschukpreises sind 2016 mehr als 400 Arbeiter/innen entlassen worden, 2018 noch einmal 75.
Ihre Plantage in Harbel in der Nähe von Monrovia ist mit einer Fläche von 200 Quadratkilometern die größte Kautschukplantage der Welt. Obwohl die Firma der größte private Arbeitgeber in Liberia ist und seinen Arbeitern (und deren Familien) nach eigenen Aussagen zahlreiche kostenlose Sozialleistungen bietet, steht das Unternehmen in der Kritik von Gewerkschaftern und Umweltaktivisten. Im November 2005 verklagte der International Labor Rights Fund Firestone in Liberia vor einem amerikanischen Gericht wegen Arbeitsbedingungen, die an Zwangsarbeit erinnern. Die Kritik bezieht sich vor allem auf die Zahlung von Akkordlöhnen und auf die Beschäftigung von Kindern auf der Plantage in Harbel. Mehrfach kam es zwischen 2005 und 2008 zu Protesten von Kautschukarbeitern und zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Darüber hinaus wurde im November 2014 von einem amerikanischen Fernsehsender eine Dokumentation veröffentlicht, die eine Verbindung von Firestone mit Charles Taylor während des Bürgerkriegs darstellt.
Neben Firestone existieren noch verschiedene andere kommerzielle Plantagen, sowie eine Vielzahl von kleinbäuerlichen Produzenten, deren Ernten von Firestone aufgekauft werden. Obwohl dieser Bereich der Wirtschaft in den Jahren seit Kriegsende aufgrund von hohen Weltmarktpreisen einen Boom erlebt hat, erwartet die liberianische Regierung kurzfristig stagnierende Wachstumsraten.
Diese werden nicht nur mit den inzwischen sinkenden Weltmarktpreisen für Kautschuk, sondern auch mit den überalterten Baumbeständen (die produktive Phase eines Baumes dauert etwa 25 Jahre) und dem schlechten Allgemeinzustand der meisten Plantagen begründet.
Von 2010 bis 2012 engagierte sich die schwedische Firma Vattenfall in Liberia, mit dem Ziel, Holzschnipsel der alten Kautschukbäume zur Energiegewinnung in Heizkraftwerken – zum Beispiel in Berlin – zu nutzen. Die Aufgabe des von vornherein umstrittenen Projektes hat viele Bauern ohne Einkommen zurückgelassen.
Jenseits des Kautschuksektors sieht die Regierung bei der Produktion von Kakaobohnen, Kaffee und Palmöl Wachstums- und Exportchancen.
Bis in das Jahr 2003 war der Forstsektor ein wichtiger Bestandteil der liberianischen Volkswirtschaft. Mit einer Produktion von etwa 1 Million Kubikmeter Holz und Exporten mit einem Wert von etwa 100 Millionen US$ pro Jahr, war dieser Bereich in der Regierungszeit von Charles Taylor für 50 Prozent der Exporteinnahmen und 20 Prozent des Bruttosozialprodukts verantwortlich. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 7.000 Liberianer in diesem Sektor beschäftigt.
Zwischen 1996 und 2000 nahm der Export von Tropenholz aus Liberia von 11.000 auf über 640.000 Kubikmeter zu. Der Export von Tropenholz spielte eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des liberianischen Bürgerkriegs. Europäische, chinesische und malaysische Holzhändler waren in diesen Holzhandel verstrickt. Die britische Nichtregierungsorganisation Global Witness sowie die Vereinten Nationen wiesen nach, dass etwa die Oriental Timber Company (OTC) in Buchanan nicht nur Edelhölzer exportierte, sondern auch Waffen für die Soldaten Taylors unter Umgehung eines Waffenembargos der Vereinten Nationen importierte. Zwischen 2003 und 2007 bestand ein Handelsembargo der Vereinten Nationen für Edelhölzer aus Liberia. Seit dem Kriegsende gibt es Bemühungen, den Forstsektor grundlegend zu reformieren. Dieser Prozess wird von der internationalen Gebergemeinschaft im Rahmen der Liberia Forest Initiative unterstützt.
Die Forstwirtschaft Liberias ist zudem Teil der internationalen Initiative zur Verbesserung der Trans- parenz in der Rohstoffindustrie (EITI). Die Einhaltung von deren Standards werden von LEITI (Liberian Extractive Industries Transparency Initiative) überwacht. Trotzdem ist die Nachhaltigkeit der Vergabe von Konzessionen sehr umstritten, wie ein Bericht von Global Witness 2012 dargelegt hat.
Landkonflikte
Laut Artikeln in der New York Times und dem britischen Guardian hat die Regierung unter Johnson- Sirleaf von 2006 bis 2011 Konzessionen für etwa ein Drittel der Landfläche Liberias an Investoren vergeben. Die internationalen Firmen nutzen dieses Land für Forstwirtschaft, Bergbau, Kautschuk- und Palmölproduktion. Seit Ende des Bürgerkrieges hat es schon zahlreiche inner-liberianische Konflikte um Land gegeben. Jetzt kommen die Landkonflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und den internationalen Investoren hinzu. Bei ca. 90% der zivilrechtlichen Verfahren in Liberia geht es um Landfragen.
In vielen Fällen führen die Konzessionen, die an große internationale Firmen vergeben werden, zur weiteren Verarmung der lokalen Bevölkerung, wie der liberianische Aktivist für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz, Silas Siakor, in dem obigen Radiointerview beschreibt. 2016 hat ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen die Regierung dazu aufgerufen, den Gesetzentwurf für Landrechtsfragen vor der Wahl 2017 zu verabschieden, um den Frieden im Land nicht zu gefährden. Letztendlich wurde das Gesetz im September 2018 verabschiedet.
Bergbau
Der Bergbausektor war ab den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts und bis Kriegsbeginn wesentlich für das liberianische Wirtschaftswachstum verantwortlich. Der Abbau von Eisenerz war der wichtigste Zweig der Minenwirtschaft, seine Exporte machten 60 Prozent aller liberianischen Exporteinnahmen aus und trugen 25 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Eisenerz wurde von multinationalen Unternehmen in drei Regionen Liberias gefördert und per Eisenbahn zu den Häfen in Monrovia und Buchanan transportiert: im sog. «Western Cluster» (Mano River und Bomi Range) in der Grenzregion zu Sierra Leone, in der Bong Range nordöstlich von Monrovia und in der Nimba Range an der Grenze zu Guinea. In den siebziger und achtziger Jahren wurde auch die Erschließung von Lagerstätten in der Wologizi Range (südlich von Voinjama), in der Pulu Range im Südosten des Landes sowie jenseits der guineischen Grenze in den Nimba Bergen geplant.
Während des Bürgerkriegs (1989-2003) wurden Waffen mit Diamanten finanziert, zu einem großen Teil wurden auch Diamanten aus Sierra Leone zum gleichen Zweck über Liberia verkauft. Zur Eindämmung der Konflikte in Liberia und Sierra Leone verhängte die UNO deshalb 2001 ein Diamanten-Handelsembargo für Liberia, was 2007 aufgehoben wurde.
Seit dem Ende des Bürgerkriegs bemüht sich die liberianische Regierung um die Wiederbelebung des Bergbausektors. Noch unter der Übergangsregierung von Gyude Bryant (2003-2006) wurde eine Konzession für die ehemalige LAMCO-Erzgrube bei Yekepa in den Nimba-Bergen als Konzession an den weltweit tätigen Stahlkonzern Arcelor Mittal vergeben. Diese Konzession – sie umfasst neben der Mine auch die Eisenbahnstrecke und den Hafen von Buchanan – war in Liberia umstritten und Gegenstand eines kritischen Berichts von Global Witness. Nach dem Amtsantritt von Ellen Johnson- Sirleaf wurde das Konzessionsabkommen neu verhandelt. Im September 2011 fand die erste Eisenerzverschiffung seit ca. 20 Jahren statt. Voraussetzung dafür war, die Eisenbahn von Yekepa zum Hafen von Buchanan wieder aufzubauen. Die Erfolge der liberianischen Wirtschaft in den letzten Jahren beruhen zu einem großen Teil auf dem Abbau von Bodenschätzen. Die Gewinne wurden sowohl durch die Ebolakrise (2014-16), als auch durch die gefallenen Rohstoffpreise stark eingeschränkt. Die Preise haben sich seither nur graduell erholt, worunter die Wirtschaft, und damit die Bevölkerung, merklich leidet.
2010 wurden erste Lizenzen zur Exploration von Erdölvorkommen vor der Küste Liberias vergeben. Ende 2011 hat die amerikanische Firma Chevron mit der Suche nach Öl im Offshore Bereich begonnen. Das liberianische Parlament hatte im September 2010 einen Explorationsvertrag mit Chevron gebilligt. Inzwischen hat eine ganze Reihe von Unternehmen Lizenzen für Ölbohrungen vor Liberias Küste, vergeben durch die National Oil Company of Liberia (NOCAL).
Die Lizenzvergabe hat zu Korruptionsskandalen geführt, in die hohe Regierungsmitglieder involviert waren, unter anderem der Sohn der damaligen Präsidentin, Robert Sirleaf, der zeitweise auch Aufsichtsratsvorsitzender von NOCAL war. 2018 hat der frisch gewählte Präsident Weah eine Kommission eingesetzt, um die Bestechungsskandale zu untersuchen und hat angekündigt, weitere Lizenzen auszuschreiben.
In den vergangenen Jahren ist einiges getan worden, um sicherzustellen, dass die Einkünfte, die der Staat durch die Rohstoffexporte einnimmt, der wirtschaftlichen Entwicklung Liberias und der Armutsbekämpfung zugute kommt. Das Land bemüht sich, bei der Bewirtschaftung dieser Ressourcen die Standards der internationalen Initiative zur Verbesserung der Transparenz in der Rohstoffindustrie (EITI) umzusetzen; Liberia hat als erster Staat in Afrika die Transparenz-Standards der EITI erfüllt. Deren Einhaltung wird von LEITI (Liberian Extractive Industries Transparency Initiative) überwacht. In Liberia schließt diese Initiative auch das Management der Gummi- und Holzvorkommen ein. Bei einem möglichen Beginn einer Erdölförderung würde dieser Maßnahme noch mehr Bedeutung zukommen.
Seit der Aufhebung der UN-Sanktionen werden in Liberia erneut legal Diamanten exportiert. Neben den etablierten Diamantenminen in Lofa und Nimba wurden in den letzten Jahren neue Vorkommen in Sinoe entdeckt. Seit 2007 beteiligt sich Liberia am internationalen Diamanten- Zertifizierungssystem, dem Kimberley-Prozess zur Eindämmung des Handels mit „Konflikt- Diamanten“, nicht immer mit vollem Erfolg.
In Grand Cape Mount und in Sinoe existieren Goldvorkommen. Im Gegensatz zur Eisenerzproduktion sind die Diamanten- und Goldminen eher kleingewerblich organisiert. Die Regierung geht davon aus, dass es bis zu 100.000 Gold- und Diamantensucher in Liberia gibt.
Dienstleistungen und Industrie
Vor dem Krieg hatte Liberia eine wichtige Funktion als regionales Finanz- und Handelszentrum. Die Häfen von Monrovia und Buchanan dienten als Umschlagplatz für Güter aus den Nachbarländern. Obwohl es Bemühungen zum Ausbau der Transportinfrastruktur gibt, haben sich diese Sektoren noch nicht von den Kriegsfolgen erholt. Ein Hemmnis für die Entwicklung in diesem Bereich sind überlastete und langsame Internetverbindungen. Das Breitband-Unterseekabel ACE ist 2011 in Monrovia angekommen und ermöglicht inzwischen einen schnelleren Internetzugang.
Die Industrieproduktion war bereits vor dem Krieg relativ gering, in Monrovia existieren heute Abfüllanlagen für Softdrinks, eine Brauerei, eine Fisch- und eine Zementfabrik. Der Aufbau dieses Sektors leidet noch stärker als die anderen Wirtschaftszweige unter den schlechten Straßenverhältnissen, der Konkurrenz billiger Importe sowie der unzuverlässigen Wasser- und Energieversorgung. Der Elektrizitätsengpass führt zu einem der höchsten Strompreise weltweit. In den Ausbau der Infrastruktur soll jedoch in den kommenden Jahren erheblich investiert werden.
Eine Sonderrolle spielt die liberianische Handelsflotte. Etwa 3100 Schiffe mit insgesamt 93 Millionen Bruttoregistertonnen fahren unter liberianischer Fahne, in der zweitgrößten Handelsflotte der Welt. Der Grund für diese große Zahl ist die liberale Regulierungspraxis der liberianischen Behörden, welche den Betrieb des Schifffahrtsregisters als Konzession an eine amerikanische Privatfirma vergeben haben. Die liberianische Regierung erhält jährliche Einnahmen von ca. 15 Millionen US$ aus diesem Bereich, aber es bestehen wenig Verbindungen zwischen dieser «Offshore-Industrie» und der Realwirtschaft.
Teilweise mit dem Schifffahrtsregister verbunden ist der Ruf Liberias als Steuerparadies. Mit einem überwiegenden Aufenthalt auf dem Schiff ist man nicht zu steuerlichen Abgaben verpflichtet. Auch sonst bietet Liberia Möglichkeiten, Geld vor Steuerbehörden oder der Justiz zu verbergen.
Der Tourismus in Liberia ist kaum entwickelt, hauptsächlich werden die touristischen Einrichtungen von Nicht-Liberianer genutzt, die in Monrovia arbeiten, oder von Liberianer, die in der Diaspora leben. Die Ebola-Krise 2014-16 stellte einen Rückschlag für die sich langsam entwickelnde touristische Infrastruktur dar.
Entwicklung
Liberia befindet sich in einer Übergangsphase von der Nachkriegssituation zur Normalität eines Entwicklungslandes. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Bürgerkrieg das Leben der Bevölkerung noch sehr lange Zeit prägen wird. Dies gilt einerseits für die weitgehende Zerstörung der Infrastruktur, aber vor allem auch für die physischen und psychischen Folgen der Kriegsereignisse. Im Bericht über den Stand der menschlichen Entwicklung (Human Development Report) des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) hat Liberia 2018 Platz 176 von 189 eingenommen.
Die liberianische Regierung formulierte ihre Entwicklungsstrategie im Rahmen der 2008 vorgestellten Poverty Reduction Strategy in deren Mittelpunkt vier Säulen stehen:
Stärkung von Frieden und Sicherheit Wiederbelebung der Volkswirtschaft
Stärkung des Rechtsstaats und der guten Regierungsführung Wiederaufbau der Infrastruktur
Im Rahmen der Geberkonferenz für Liberia im Juni 2008 in Berlin stellte Präsidentin Johnson-Sirleaf diese Strategie der Gebergemeinschaft vor und verpflichtete sich mindestens 55 Prozent aller Staatseinnahmen für die Umsetzung dieser Entwicklungsziele aufzuwenden.
2013 wurde die „Agenda for Transformation“ (Agenda für den Wandel) verabschiedet, ein langfristiger Plan mit dem Ziel, Liberia in eine wohlhabendere Gesellschaft und bis 2030 zu einem Schwellenland umzuwandeln.
Ein zentrales Instrument zur Bündelung der Geberanstrengungen ist der multilaterale Liberia Reconstruction Trust Fund (LRTF) unter der Führung der Weltbank. Auch die Afrikanische Entwicklungsbank, sowie die chinesische und die französische Regierung beteiligen sich mit größeren Summen am Wiederaufbau Liberias.
Der wichtigste bilaterale Partner der liberianischen Regierung sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Programmatische Schwerpunkte liegen im Bildungs- und Gesundheitswesen, im Sicherheitsbereich und bei der Wirtschaftsförderung. Neben der Weltbank gehört die Europäische Union zu den wichtigsten multilateralen Gebern. Der Schwerpunkt der EU-Programme liegt im Bereich der Basisinfrastruktur (Elektrizität, Wasser und Transport).
Besondere Herausforderungen zur Erreichung der Millenniums Entwicklungsziele (MDGs) in Liberia stellten neben der sehr verbreiteten Armut die hohe Kindersterblichkeit und die schlechte Gesundheitsversorgung dar. Das UNO Entwicklungsprogramm (UNDP) in Liberia ist momentan sehr aktiv in der Bewältigung der Probleme, die durch den Ebolaausbruch entstanden sind. Den größten Teil der medizinischen Versorgung von Ebolapatienten hat 2014 die internationale Organisation Ärzte ohne Grenzen geleistet.
Seit 2016 arbeiten die Vereinten Nationen mit einer neuen globalen Entwicklungsagenda. Nachdem die Millenniumsziele (MDGs) 15 Jahre lang vor allem die Zielsetzung verfolgten, den Hunger und die Armut auf der Welt zu halbieren, wurden im September 2015 die «Ziele für nachhaltige Entwicklung» (Sustainable Development Goals – SDGs) von den UN-Mitgliedstaaten auf einem Sondergipfel im UN- Hauptquartier in New York verabschiedet.
Während die MDGs vor allem auf die Verbesserung der Lebensbedingungen in Entwicklungsländern ausgerichtet waren, basieren die neuen Ziele auf der breiteren Grundlage nachhaltiger Entwicklung für alle Länder. Zum ersten Mal werden bei den SDGs auch die Industriestaaten in die Pflicht genommen. Mit Hilfe der SDG sollen die großen Herausforderungen in den Bereichen Entwicklung und Nachhaltigkeit – wie Armut, Gleichstellung der Geschlechter, Klimawandel, Verlust biologischer Vielfalt – in politisches Handeln umgesetzt werden. Die SDGs streben eine ausgewogene Gewichtung der drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung an: der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen. Kritiker bemängeln allerdings, dass ohne eine ökonomische Umverteilung die Umsetzung dieser Ziele nicht möglich sein wird.
Deutsche Organisationen
Liberia ist kein klassisches Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Allerdings fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Vorhaben der finanziellen und technischen Zusammenarbeit aus dem Regionalprogramm «Fragile Staaten Westafrikas«. Die Arbeitsschwerpunkte der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) liegen einerseits in der Unterstützung des LRTF und andererseits in einem Reintegrations- und Wiederaufbauprogramm im Südosten Liberias. Das Programm im Südosten des Landes wurde 2011 mit zusätzlichen 5 Millio- nen Euro vom BMZ unterstützt, als in dem Grenzgebiet zur Côte d’Ivoire durch die über 160.000 Flüchtlinge eine besonders schwierige Situation entstanden war. Dieses Programm wird von der Deutschen Welthungerhilfe (DWHH) umgesetzt. Für eine weitere Komponente dieses Programms – den Kampf gegen sexuelle Gewalt – engagiert sich die Organisation Medica Mondiale im Auftrag von KfW und DWHH, seit Mai 2015 durch Unterstützung der nun eigenständigen Organisation Medica Liberia. In Monrovia unterstützte die Welthungerhilfe Menschen beim Aufbau von Stadtgärten, die für viele von ihnen die wichtigste Lebensgrundlage darstellen.
Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) war in den Jahren nach dem Krieg in Liberia vor allem im Auftrag des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in der Betreuung von Vertriebenen und bei der Organisation ihrer Rückkehr tätig. Weiterhin führte sie im Auftrag des Auswärtigem Amtes und des BMZ verschiedene Projekte im Bereich der Nothilfe durch. Seit 2008 existiert ein Vorhaben zur Stärkung der Kapazitäten von Regierung und Privatwirtschaft im Verkehrssektor. Die GIZ führte außerdem im Auftrag des Auswärtigen Amtes ein Programm zur Stärkung der Funktionsfähigkeit von Polizeistrukturen in Liberia durch. Das Programm, das in Zusammenarbeit mit der UN durchgeführt wurde, stärkte Polizeikräfte und Polizeiinstitutionen durch Trainings-, Infrastruktur- und Ausstattungsmaßnahmen sowie durch die Unterstützung von Managementkapazitäten. Im Kampf gegen Ebola unterstützte die GIZ medizinische Einrichtungen und die Nahrungsmittelversorgung von Quarantäne betroffener Haushalte.
Lange hat die humanitäre Organisation Ärzte ohne Grenzen den größten Teil der Behandlung von Ebola-Patienten übernommen. Kanzlerin Merkel hatte auf einen Hilferuf von Präsidentin Johnson- Sirleaf reagiert, sich verstärkt an dem Kampf gegen die Seuche zu beteiligen. Die Bundeswehr und das Technische Hilfswerk hatten ab Oktober 2014 einige Monate medizinische Hilfsgüter nach Liberia geflogen. Das Technische Hilfswerk hatte im Rahmen der UN-Mission UNMEER zur Ebolabekämpfung Logistik zur Verfügung gestellt sowie Ingenieure zur Wartung von Generatoren, Sicherstellung der Wasserversorgung und für den Aufbau von Kommunikationssystemen. Die Bundeswehr hat das Deutsche Rote Kreuz unterstützt, eine Krankenstation für Ebolapatienten in Monrovia aufzubauen. Koordiniert wurde diese Hilfe, wie in der gesamten Region, durch den Ebolabeauftragten der Bundesregierung, Walter Lindner.
Neben den Organisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sind verschiedene kirchliche und private Hilfswerke in Liberia aktiv. Cap Anamur hat bis Mitte 2010 in Monrovia eine Klinik für psychisch kranke Menschen – oft traumatisierte Bürgerkriegsopfer – unterhalten. Misereor- Partnerorganisationen kümmern sich um kriegsgeschädigte Kinder in Liberia und eröffnen ihnen Perspektiven für ein Leben im Frieden. Außerdem berät Misereor Gesundheitseinrichtungen. Die Diakonie Katastrophenhilfe war bei der Behandlung von Ebolapatienten aktiv und hat zusammen mit Brot für die Welt und dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission (Difäm) Menschen vor Ort im Kampf gegen Ebola gestärkt und über die kirchlichen Gesundheitseinrichtungen eine Basisversorgung aufrecht erhalten. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat ein Ebola- Behandlungszentrum betrieben, das aber auf Grund des deutlichen Rückgangs der Ebola- Neuinfektionen in Liberia keine Ebola-Patienten behandelt hat. Stattdessen wurde das Behandlungszentrum für eine temporäre Unterstützung des liberianischen Gesundheitssystems bei der Behandlung von Nicht-Ebola-Infektionskrankheiten eingesetzt und nach einigen Monaten geschlossen.
Nach Ende der Ebola-Epidemie hat Difäm mit Unterstützung der GIZ und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Kooperation mit den liberianischen Organisationen NARDA und CHAL eine große dreitägige Konferenz durchgeführt, bei der es um die Verbesserung des liberianischen Gesundheitssystems ging, und der Gesundheitsprojekte auf kommunaler Ebene folgen werden. Entsprechende Konferenzen wurden auch in den Nachbarländern Sierra Leone und Guinea durchgeführt.
Brot für die Welt und die AGIAMONDO (bis 11/2019 AGEH) unterstützen im Rahmen des zivilen Friedensdienstes liberianische Nichtregierungsorganisationen durch die Entsendung von Friedensfachkräften, im Bildungsbereich zum Beispiel das Kofi Annan Institut für Konflikttransformation (KAICT) der liberianischen Universität und den Nationalen Verband für Erwachsenenbildung in Liberia (NAEAL).
Die Urheberin dieser Texte ist Juliane Westphal.
Juliane Westphal, Mediatorin M.A., Open Space Begleiterin, Beraterin für der Zivilen Friedensdienst (ZFD) von Brot für die Welt in West- und Zentralafrika.
Von 2005 bis 2007 war sie zuständig für die öffentliche Aufklärung über die Arbeit und die Ergebnisse der beiden Wahrheits- und Versöhnungskommissionen (TRC) in Sierra Leone und Liberia.
Mit der GIZ haben wir über die Nutzung der Inhalte gesprochen und nennen soweit möglich die Quelle. Jede Hilfe für mehr Bildmaterial und wichtige Änderungen ist willkommen.